Faser-zu-Faser-Recycling: Was ist das? Und warum ist es so kompliziert?

Faser-zu-Faser-Recycling ist die Königsdisziplin des Textilrecyclings. Der textile Rohstoff, beispielsweise aus einem alten T-Shirt, wird wieder zu einem neuen Kleidungsstück verarbeitet. Dies passiert allerdings nur mit weniger als einem Prozent der weltweit gesammelten Textilien. Warum das so ist und wo die Herausforderungen liegen, erklärt Melina Sachtleben von der RWTH Aachen.

Recycling ist das Wiederverwenden von Rohstoffen. Diese bekommen ein zweites Leben in einem neuen Produkt. Ein Beispiel aus der textilen Welt: Ein T-Shirt, welches nicht mehr als Secondhand-Produkt verkauft werden kann, weil es beispielsweise verfärbt ist, wird zerrissen und erhält als Putzlappen, Malervlies oder auch Dämmstoff ein zweites Leben. Nach dieser Nutzung wird das Material (beispielsweise ein Polyester-Baumwoll-Gemisch) dann vernichtet. Ein weiterer Lebenszyklus für die Rohmaterialien ist meist nicht möglich – die Rohstoffe sind verloren.

Die Königsdisziplin
Anders sieht das bei Faser-zu-Faser-Recycling aus, der Königsdisziplin des Textilrecyclings. Das Material aus einem Sport-T-Shirt, also beispielsweise Polyester, wird im nächsten Lebenszyklus wieder zu einem Rohstoff, der hochwertig genug ist, um ein neues T-Shirt herzustellen. Der aus den Alttextilien gewonnene, recycelte Rohstoff wird somit einem gleichwertigen Produkt zugeführt. Laut Schätzungen wurden im Jahr 2019 bereits circa eine Million Tonnen Alttextilien alleine in Deutschland gesammelt. Dank intensivem Fast-Fashion-Konsum in Deutschland und immer kürzer werdenden Tragedauern der Bekleidung steigen diese Zahlen seit Jahren kontinuierlich. Noch weiter erhöhen werden sie sich, wenn ab 2025 die EU-Verordnung greift, die alle Länder verpflichtet, sämtliche Textilien separat zu sammeln. Allerdings ist nicht nur die stetig wachsende Menge an Alttextilien eine Herausforderung.

Herausforderungen von heute und Chancen für morgen
Eine der größten Herausforderungen ist, dass textile Produkte aus vielen verschiedenen Komponenten bestehen, die für einen Recyclingprozess zunächst getrennt werden müssen. So müssen zum Beispiel Knöpfe und Reißverschlüsse entfernt werden. Manche Artikel wie Jacken haben außerdem unterschiedliche Lagen, die separiert werden müssen. Das bedeutet, dass gesammelte Textilen sehr aufwendig und zudem von Hand in ihre Einzelteile zerlegt werden müssen. Auf diese Weise werden Fraktionen wie Baumwolle oder Polyester gewonnen, welche erst anschließend recycelt werden können.

Chancen und Nutzen eines geschlossenen Textilkreislaufes
Die wenigsten Produkte sind monomateriell, bestehen also nur aus einem einzelnen gut zu recycelnden Material wie Polyester oder Baumwolle. Zusätzlich enthalten viele textile Stoffe sogenannte Mischfasern, also einen Mix aus verschiedensten Materialien. Diese zu trennen ist zwar in einzelnen Verfahren möglich, der Prozess jedoch so aufwendig, dass eine Wirtschaftlichkeit noch in sehr ferner Zukunft liegt. Es laufen spannende Projekte zu neuartigen Recyclingverfahren, vor allem im Bereich chemischer Recyclingverfahren, die jedoch meist noch nicht in der Lage sind, große Mengen zu verarbeiten. Hier werden die nächsten Jahre spannende Neuerungen bringen und wir von der RWTH Aachen erwarten große Fortschritte hin zu einem hochwertigen Faser-zu-Faser-Recycling der abgelegten sogenannten Post-Consumer-Textilien.

Melina Sachtleben, RWTH Aachen


Info: Dieser Text ist Teil der durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung geförderten Sensibilisierungskampagne Aus den Augen, aus dem Sinn? Die Wege Deiner Altkleider.


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