Der Export von tragbarer Kleidung insbesondere in afrikanische Länder wird immer wieder kontrovers diskutiert. Die Diskussion wurde in den 1990iger Jahren durch eine (einzelne) Studie ausgelöst. Der Studie zufolge waren verschiedenste Faktoren für den Niedergang der Bekleidungsindustrie verantwortlich, z.B. die schwierigen (welt-) wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. In der öffentlichen Diskussion wurde die Studie schnell auf die einfache These verkürzt, dass allein die Importe von Gebrauchtkleidung Auslöser und Hauptursache für den Niedergang einheimischer Bekleidungsfabriken gewesen seien. Diese Vereinfachung wird bis heute unverändert wiederholt, ohne dass es dafür weitere Belege gibt.
FairWertung und die Exportfrage
FairWertung setzt sich seit über 20 Jahren mit der Frage nach den Auswirkungen von Altkleiderexporten auseinander und hat den Überseehandel mit gebrauchter Kleidung zunächst ebenfalls kritisch bewertet. Der Verband ist aber mittlerweile zu einer anderen Einschätzung gekommen. Im Folgenden stellen wir die Position des Dachverbandes FairWertung dar. Aktuelle Studien aus anderen europäischen Ländern kommen zu der gleichen Einschätzung, so zuletzt eine umfangreiche Studie aus Skandinavien.
Eine lange Wertschöpfungskette
Dem großen Berg an aussortierter aber noch tragbarer Kleidung in den westlichen Industrieländern steht eine weltweite große Nachfrage nach qualitativ guten und bezahlbaren Secondhand-Kleidung gegenüber. Jedes Jahr gelangen daher mehr als 400.000 Tonnen Gebrauchtkleidung in afrikanische Länder. Großhändler/ Importeure kaufen die Textilien je nach lokalem Bedarf bei Textilsortierbetrieben in Westeuropa oder den USA ein. Ausgehend von den großen Küstenstädten gelangen die Bekleidungsstücke über Zwischen- und Kleinhändler auf die lokalen Märkte und bis in entlegene Dörfer.
Secondhand-Bekleidung ist in den meisten afrikanischen Ländern weit verbreitet und wird vor allem im Alltag getragen. Heute bestreiten viele Menschen ihren Lebensunterhalt mit dem Transport, dem Handel oder dem Umarbeiten von Secondhandkleidung. Der Handel mit gebrauchten Textilien bietet besonders Frauen und jungen Menschen mit geringer Qualifikation eine Verdienstmöglichkeit.
Gebrauchtkleidung und Neuware – parallele Märkte
Neben der Gebrauchtkleidung wird auf den afrikanischen Märkten insbesondere aus Asien importierte Neuware angeboten. Da sie oft einen hohen Kunstfaseranteil enthält, ist sie für die klimatischen Bedingungen tropischer Länder allerdings kaum geeignet, Außerdem ist ihre Qualität und damit die Haltbarkeit oft gering. Daher kaufen viele Menschen weiterhin auf dem Secondhand-Markt ein, da sie sich dort preisgünstig mit qualitativ guter und modischer Kleidung versorgen können.
Die Bekleidungsindustrie in den Importländern
Kaum ein Markt ist derart globalisiert wie die Bekleidungsbranche. Seit langem dominiert in Asien hergestellte Bekleidung in den meisten Ländern das Angebot- wie auch in Deutschland und Westeuropa.
Auch die Textilindustrie in vielen afrikanischen Ländern hat sich in den letzten Jahrzehnten als nicht konkurrenzfähig gegenüber den asiatischen Produzenten erwiesen. Vor allem die schwierigen Rahmenbedingungen vor Ort, wie z.B. der mangelhafte Zugang zu Kapital und Know-how, häufige Stromausfälle sowie mangelnde Versorgung mit Ersatzteilen erschweren bis heute den Aufbau einer lokalen Textil- und Bekleidungsproduktion.
Kontroverse Diskussion zu Importbeschränkungen
Nichtsdestotrotz gibt es in afrikanischen Staaten aktuell wieder die politische Forderung, Importe von Gebrauchtkleidung mit höheren Zöllen und Abgaben zu belegen. Dadurch soll der (Wieder-)Aufbau einer eigenen Textil- und Bekleidungsindustrie gefördert werden. Experten – auch aus Afrika – sind allerdings skeptisch, ob ohne funktionierende und verlässliche Infrastruktur eine lokale Bekleidungsindustrie überhaupt bestehen könnte. Außerdem wird bezweifelt, dass genug Kapazitäten aufgebaut werden können, um die Nachfrage der Bevölkerung nach qualitativer Bekleidung zu bezahlbaren Preisen zu decken. Zumal ein Export in die kaufkräftigen Märkte der Industrieländer auch für afrikanische Produzenten attraktiver wäre.
In jedem Fall trifft die Annahme, weniger Gebrauchtkleider oder gar ein Importverbot würde automatisch einen (Wieder-) Aufbau der heimischen Textilproduktion in den Importländern bewirken, nicht zu. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde dies lediglich zu einer Ausweitung des Angebots an asiatischen Neutextilien führen.
Konsequenzen für die praktische Arbeit
Im Rahmen des von FairWertung initiierten „Dialogprogramm Gebrauchtkleidung in Afrika““ wurde so auch der Handel mit Secondhand-Kleidung nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Allerdings wurde immer wieder auf das Problem der Falschdeklaration beim Import der Kleidung und der teilweise mangelhaften Qualität der importierten Kleidung hingewiesen.
FairWertung hat daher ein System zur Kontrolle des Warenflusses und vertragliche Regelungen entwickelt, damit die gesammelte (Gebraucht-) Kleidung in jedem Fall eine Qualitätsprüfung in Fachsortierbetrieben durchläuft. Auch die Frage der korrekten Deklaration der Ware ist Gegenstand regelmäßiger Audits.