Es gab einmal eine Zeit, in der wurden Sakkos, Kleider oder Mäntel von einer Generation zur nächsten vererbt. Die Kinderbekleidung wurde geflickt, die Löcher in den Socken gestopft und selbstverständlich trugen die jüngeren Geschwister die Sachen der älteren auf.
Aber Zeiten ändern sich: Heute werden die meisten Textilien nach immer kürzerer Zeit aussortiert und bestenfalls in eine Kleidersammlung gegeben – Klamotten verkommen immer mehr zur Wegwerfware.
Kreative Weiterverwendung
Es gibt aber auch eine kleine, wachsende Gegenbewegung. Ein Teilbereich ist das sogenannte Upcycling. Dabei entstehen in kreativen Arbeitsprozessen neue Produkte aus gebrauchten Gegenständen. So wird z.B aus Bettwäsche oder Stoffresten ein Einkaufsbeutel. Wichtig ist dabei, dass die ursprünglichen Eigenschaften verändert werden oder die Funktion umgewidmet wird.
„Das Umnähen, Umgestalten und Upcyceln von Textilien ist durchaus trendy und aktuell.“
Modeexpertin Dominique Ellen van de Pol
Wiederentdecken statt Neuentdecken
„Die Weiterverwertung vorhandener Textilien ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit im Textilkonsum. Upcyceln findet aber bisher nur in einer Nische statt – leider“, gesteht auch die Modeexpertin Dominique Ellen van de Pol. Die studierte Fachfrau für Green Fashion Communications schreibt über grüne Mode in allen Facetten, entwickelt eigene Vorträge, Events und Workshops zum Thema bewusster Modekonsum und zeigt auf ihren eigenen Kanälen in den sozialen Medien, wie Spaß an Mode auch nachhaltig funktionieren kann. „Das Umnähen, Umgestalten und Upcyceln von Textilien ist durchaus trendy und aktuell.“Während der schnelle Kick beim Neukauf euphorisiert und einfach zu haben ist, benötigt das Nähen und Upcyceln Geduld und Hingabe. „So ist der Trend aktuell eher ein Hobby einer kleinen Gruppe im Sinne einer Wiederbelebung einer alten Kulturtechnik. Ein großer Wirtschaftszweig ist diese Form der Weiterverwendung (noch) nicht.“
Kreative Ideen für soziale Teilhabe
Viele gemeinnützige Organisationen haben das Upcycling ebenfalls als kreative Möglichkeit entdeckt, um Stoffe zu verwerten und Beschäftigung zu schaffen. Sie haben eigene Näh- und Upcyclingprojekte gegründet und stellen ganz unterschiedliche, aber immer sehr kreative Einzelstücke her. Das Problem ist allerdings, dass sich der Absatz der Artikel oftmals schwierig gestaltet: Denn die Kunden_innen in den Gebrauchtwaren-kaufhäusern wählen ihre Einkäufe vor allem nach dem Nutzen und dem Preis aus. Nachhaltigkeit oder Kreativität spielen dagegen eine untergeordnete Rolle.
Mano nella Mano: Professionelle Kreativität
Eine andere Möglichkeit zur Vermarktung von Upcyclingartikeln hat die gemeinnützige Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Hephata aus Mönchengladbach gefunden. Zunächst als kleines Kooperationsprojekt mit einer Hochschule gestartet, gründete Hephata Mönchengladbach 2016 ein eigenständiges Label für den Arbeitsbereich: „Mano nella Mano“, italienisch für „Hand in Hand“, was das Konzept des integrativen Projekts gekonnt zusammenfasst. Hier entstehen aus nicht mehr tragbaren Textilien besondere Produkte, die „einzigartig andersartig“ zu überzeugen wissen.
„Wir verarbeiten eigentlich alles, was unter unsere Nähmaschinen passt“, stellt Produktdesignerin Ghazal Schneider lachend fest. „Dabei achten wir auf ein unkompliziertes Produktdesign, damit wir gleichbleibend hochwertige Artikel produzieren können“, so die studierte Modedesignerin, die bereits mehrere Jahre in der Bekleidungsindustrie gearbeitet hat.
„Wir verarbeiten eigentlich alles, was unter unsere Nähmaschinen passt“
Ghazal Schneider, Produktdesignerin bei „Mano nella Mano“
Damit der Absatz und das Projekt auf soliden Füssen stehen, hat die Organisation zunächst investiert. Eine professionelle Stickmaschine wurde angeschafft. So kann „Mano nella Mano“ heute Firmen- oder Vereinsbekleidung individuell besticken. Darüber hinaus werden aus den einzelnen Upcyclingartikeln auch individualisierte Geschenke für Kunden_innen oder verdiente Mitarbeiter_innen. „Um mehr Kundschaft zu gewinnen, sind wir auch mit verschiedenen Einzelhändlern aus der Region im Gespräch. In ihren Läden erreichen die Händler noch einmal eine andere Käuferschicht und das steigert unsere Bekanntheit“, erklärt Schneider eine weitere Maßnahme.
Preisgekrönte Kreationen bei der Ideenbörse Herford
Eine andere Organisation, die sogar das Prinzip der Weiterverwendung im Namen trägt, ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Damit Upcycling und Recycling bei mehr Menschen Beachtung und Akzeptanz finden, hat der Arbeitskreis Recycling e.V. (AKR), der mehrere „RecyclingBörsen!“ als Zweckbetriebe betreibt, bereits 2010 den RecyclingDesignPreis ausgelobt. Jedes Jahr werden seitdem Designideen aus dem Bereich Upcycling und Recycling gekürt und die Stücke im Rahmen einer Ausstellung in Herford präsentiert. 2018 prämierte die Jury u.a. den belgischen Designer Sep Verboom aus De Pinte, der einen Teppich aus Meeresmüll entworfen hat. Der Teppich besteht ausschließlich aus recycelten Seilen, die in der Schifffahrt auf den Philippinen verwendet wurden.
Doch nicht nur Designer oder Organisationen haben gute Ideen. Jede/r kann selbst kreativ werden oder sich auf eine Entdeckungsreise in die Upcyclingwelt begeben.