Von 2000 bis 2015 hat sich die Anzahl der weltweit verkauften Kleidungsstücke von 50 auf 100 Milliarden verdoppelt, schätzungsweise wird diese Zahl bis 2030 auf 200 Milliarden im Jahr steigen. Der wachsende Kleiderberg geht zuallererst zu Lasten der Umwelt. Textilrecycling soll Abhilfe schaffen. Doch wo stehen wir da eigentlich? Kann Recycling allein die Modeindustrie grün machen?
Die Textilindustrie ist eine der dreckigsten weltweit: Sie verursacht nach Schätzungen rund 10 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Im Baumwollanbau werden enorme Mengen Wasser und Pestizide verbraucht. Günstige Kunstfasern wie Polyamid und Polyester werden aus der endlichen Ressource Erdöl gewonnen. Die Produktion der Klamotten selbst erfordert hohe Mengen an Energie und den Einsatz von Chemikalien.
Deutsche Verbraucher*innen kaufen durchschnittlich 60 Kleidungsstücke jährlich, davon bleiben rund 24 ungetragen. Wenn jeder auf nur 6 Stücke im Jahr verzichten würde, wäre es möglich, insgesamt 9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einzusparen.
Textilberg am Ende der Kette
Der Berg an aussortierter Kleidung wächst stetig. Bis heute gibt es keine nachhaltige Lösung für Textilien am Ende ihrer Nutzungsdauer. Klamotten, die nicht mehr auf dem Secondhand-Markt angeboten werden können, werden heute lediglich downgecycelt, das heißt als minderwertiges Produkt weiterverwendet. So gewinnt man aus rund 8 Prozent aller gesammelten Textilien Putzlappen für die Industrie. Besonders baumwollhaltige und damit saugfähige Stoffe finden hier eine Weiterverwendung.
Ein weiterer Anteil geht an Rohstoffverwerter im In- und Ausland. In Reißereien können die Fasern nicht mehr tragbarer Kleidungsstücke aufgebrochen und für die Weiterverwendung als Rohstoff für Malervlies, die Innenverkleidung von Autos, oder als Füllstoff für Polster genutzt werden.
Diese Methode des Downcyclings verlängert zwar die Nutzungsdauer der Fasern, letztlich landen die hier gewonnenen Produkte allerdings dennoch auf dem Müll. Ein echtes Recycling würde dafür sorgen, dass die Rohstoffe länger und in gleicher Weise wie zuvor nutzbar wären. Das heißt ein aussortiertes T-Shirt kann nach dem Recycling wieder als T-Shirt genutzt werden.
Allein in der EU und der Schweiz verursacht eine Person im Jahr 2022 rund 15 kg Textilmüll, wobei diese Zahl bis 2030 sogar noch auf 20 kg ansteigen könnte. Das sind aktuell insgesamt 7 bis 7,5 Millionen Tonnen bzw. in 2030 dann bis zu 9 Millionen Tonnen brutto Textilmüll, wobei rund 85 Prozent des Textilmülls aus aussortierter Kleidung und Heimtextilien von Konsument*innen besteht.
Echtes „Textilrecycling“
Ein Recycling im Sinne einer Faser-zu-Faser-Wiederverwendung findet aktuell bei jedoch bei weniger als einem Prozent der aussortierten Altkleider statt. Dabei besteht laut Expert*innen unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit, dass schon 2030 zwischen 18 und 26 Prozent der nicht mehr trag- und handelbaren Textilien einem direkten Recycling zugeführt werden können. Doch wo liegt aktuell das Problem? Warum können textile Fasern noch nicht in großem Umfang und direkt recycelt und zur Produktion neuer Klamotten verwendet werden?
Viele Jahre gab es kaum Gründe sich mit dem Recycling zu beschäftigen, denn Rohstoffe wie Baumwolle und auch Polyester waren billig und ausreichend verfügbar. Allerdings sorgen der ökologische und gesellschaftliche Druck dafür, dass mehr in die Forschung und Entwicklung von Textilrecyclingtechnologien investiert wird.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die bisher gängigen Recyclingmethoden:
Mechanisches Recyceln – die klassische Methode
Grundsätzlich werden auch in Reißereien aus den Klamotten Fasern zur Garnherstellung gewonnen. Doch meist sind die gewonnenen Fasern zu kurz und zu dünn – dadurch verlieren die neuen Garne stark an Qualität. Für den Reißprozess selbst muss enorm viel Energie eingesetzt werden. An dieser Stelle wird Kritik hinsichtlich des ökologischen Nutzens laut. Außerdem werden Fremdstoffe und Chemikalien, die den Kleidungsstücken bei der Produktion zugesetzt wurden, im Reißprozess nicht herausgefiltert, somit können die neuen Garne belastet sein.
Wusstest du das? Wenn du Kleidung aus Polyester kaufst, die mit recyceltem Material wirbt, stammt dies aktuell meistens noch von PET-Flaschen und nicht von alten Textilien.
Chemisches Recyceln – moderne Verfahren in der Entwicklung
Im Bereich des chemischen aber auch des biochemischen Recyclings wird aktuell viel geforscht und getestet. In den unterschiedlichen Verfahren werden die Stoffe zunächst grob zerschnitten und durch den Zusatz von Chemikalien in ihre Grundbestandteile zersetzt. Aus diesen Grundbestandteilen können dann wiederum Fasern gewonnen und neue Textilien hergestellt werden. Doch auch hier ist die sogenannte Sortenreinheit entscheidend. Für viele Verfahren ist es herausfordernd, dass in fast allen Klamotten Materialmixe verarbeitet sind, die nicht so einfach aufgetrennt werden können. Und selbst wenn spezielle Verfahren dieses Problem lösen würden, bestünde weiter ein Sortierproblem, denn die Gemische sind häufig nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Dazu sind aktuell spezielle Ausleseverfahren in der Entwicklung und Probe, die den Sortierer*innen von Altkleidern helfen, die Materialzusammensetzungen direkt herauszulesen.
Grundsätzlich besteht die Herausforderung darin, dass die Recyclingprozesse heute noch deutlich teurer, aufwendiger und auch ökologisch zu hinterfragen sind. Zudem haben die Endprodukte häufig eine schlechtere Qualität als die neu produzierten Textilien.
Wusstest du das? Die Ökobilanz eines Textils wird bis zu 70 Prozent von der Pflege der Konsument*innen beeinflusst, z.B. durch zu häufiges Waschen und zu große Mengen an Waschmitteln.
Recycling – Die wahre Lösung des Problems?
Bis sich die Recyclingtechnologien als fester Bestandteil der Textilkette durchsetzen können, ist es noch ein langer Weg. Allerdings ist es dringend geboten anzufangen. Außerdem sind bereits erste Schritte umsetzbar, die für mehr Nachhaltigkeit in der Modebranche sorgen können. Die Gestaltung der Textilien selbst ist beispielsweise von großer Bedeutung für einen nachhaltigen Textilkreislauf und zudem einfach zu realisieren. Hier können Qualität und Haltbarkeit der Produkte verbessert werden. Dies gilt letztlich auch für den Modekonsum insgesamt. Recycling ist hierbei nur ein Teil davon, unser lineares Wirtschaftssystem in eine Kreislaufwirtschaft zu überführen.
Wusstest Du das? Wiederverwendung bedeutet, dass bereits gebrauchte Produkte für den selben Zweck erneute Verwendung finden. Darunter fallen Recycling aber auch die Secondhand-Nutzung. Bei der Weiterverwendung werden gebrauchte Produkte für einen anderen Zweck genutzt. Alttextilien werden beispielsweise zu Putzlappen downgecycelt.
Info: Dieser Text ist Teil der durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung geförderten Sensibilisierungskampagne „Aus den Augen, aus dem Sinn? Die Wege Deiner Altkleider“.