Chancen und Grenzen des Textilrecyclings

Im Jahr 2014 wurden weltweit erstmals mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt. Die weltweite Produktion und damit auch der Konsum nimmt immer mehr zu. „Fast Fashion“ heißt das Geschäftsmodell, bei dem Modeunternehmen jedes Jahr bis zu 24 Kollektionen auf den Markt bringen. Die Kleidung ist dabei vor allem eins: billig. Ohne einen wachsenden  Polyesteranteil wäre die Mode für den günstigen Preis kaum anzubieten. Das ermöglicht es den Herstellern, in kurzer Zeit hohe Stückzahlen preisgünstig zu produzieren. Gleichzeitig kommen so immer mehr Textilien mit Mischgewebe auf den Markt – Sortenreinheit wird damit immer seltener.

Wachsender Berg am Ende der Kette

Derweil wächst am Ende der Kette der Berg an aussortierter Kleidung immer weiter. Die gut erhaltenen Textilien werden von gemeinnützigen Organisationen direkt vor Ort zu sozialen Preisen weitergegeben oder von gewerblichen Sortierbetrieben als Secondhand-Kleidung auf dem internationalen Markt angeboten. So verlängert sich die Lebensdauer von ca. 50 Prozent der gesammelten Textilien. Der nicht mehr tragbare Teil aus einer Sammlung muss dagegen einer sinnvollen Weiterverwertung zugeführt werden. Die baumwollhaltigen und damit saugfähigen Textilien gehen an Putzlappenschneidereien, die anderen Reste an Rohstoffverwerter im In- und Ausland. Am Ende werden aus den Textilien bisher z.B. Malervlies, Autoinnenverkleidung oder Dachpappen hergestellt. Es handelt sich also um sogenanntes „Downcycling“, da der ursprüngliche Rohstoff in ein minderwertigeres Produkt verwandelt wird.

Textiles Recycling wird  weiterentwickelt

Es erscheint naheliegend, diese Rohstoffe stärker für die Herstellung von Neutextilien zu verwenden und so echte Recyclingkreisläufe zu schaffen. Der Textilforscher Kai Nebel von der Universität Reutlingen dämpft allerdings die Erwartungen an eine baldige Umsetzung: „Recycling für die Textilproduktion steckt noch in den Kinderschuhen, weil man es eigentlich nicht braucht.“ Denn der Rohstoff – sowohl Baumwolle als auch Polyester – ist billig; der Recyclingprozess dagegen aufwendig, teuer und auch ökologisch zu hinterfragen. Und am Ende kommen Produkte heraus, die von minderer Qualität als Produkte aus Neufasern sind.

Druck auf Hersteller wächst

Ist das das Ende dieses Themas? Nicht ganz. Denn es wächst der gesellschaftliche, ökologische und auch ökonomische Druck auf die Textilproduzenten, etwas an diesem System zu ändern. Immer mehr Konsument*innen hinterfragen das System kritisch. Verbraucherorganisationen, wie z.B. Greenpeace, die Kampagne für Saubere Kleidung, Inkota oder die Initiative Romero initiieren Aktionen, um weitere Konsument*innen für die Probleme zu sensibilisieren.

Aber auch ökonomisch könnte das Modell von immer schneller wechselnden Modezyklen bald an seine Grenzen stoßen: Denn bei einer wachsenden Weltbevölkerung und einer damit einhergehenden Nachfragesteigerung nach Bekleidung werden die Rohstoffe knapper – und damit deutlich teurer.

Einige Hersteller entdecken daher die abgelegten Textilien bereits als neue Ressource. So werden recycelte Fasern aus Altkleidern heute bereits in einzelnen Kleidungsstücken verarbeitet. Im Gesamtsortiment der Hersteller fristen sie allerdings ein Nischendasein. Zudem ist der Anteil der recycelten Fasern in den Kleidungsstücken gering. So groß, wie es in mancher Werbekampagne erscheinen mag, ist der Anteil also heute eher nicht.

Aktueller Stand der (Recycling-)Technik

Die „klassische“ Methode ist das mechanische Recyceln von Baumwoll-Stoffen. Nach einem aufwändigen Sortierprozess werden dabei die Fasern maschinell gerissen. Allerdings verlieren die Fasern 75 Prozent ihres Wertes. Denn die Fasern werden in diesem Verfahren beschädigt. Sie sind am Ende kürzer und dünner, so dass sie schneller reißen und damit deutlich an Funktionalität und Qualität einbüßen. Nach heutigem Stand der Technik kann einem Kleidungsstück daher maximal 30 Prozent recycelter Baumwollfasern beigemischt werden, wenn keine Qualitätseinbußen hingenommen werden sollen. Zu maximal 70 Prozent besteht also auch ein „Recycling-Shirt“ aus neuer Baumwolle.

Der gesamte mechanische Prozess ist zudem aufwendig und damit teuer und zudem ökologisch fragwürdig, da eine Menge Energie eingesetzt werden muss, um am Ende (minderwertige) recycelte Baumwollfaser zu erhalten.

Ein weiteres Problem liegt in der Zusammensetzung der aussortierten Kleidungsstücke: Zum einen sind Nähte, Labels, Applikationen oder Reisverschlüsse oftmals aus einem anderen Material gefertigt und müssen daher vor der Weiterverarbeitu

ng entfernt werden. Zum anderen ist vielfach der genaue Materialmix des Kleidungstücks nicht bekannt. Schon heute enthalten 60 Prozent unserer Kleidung Kunstfasern. Die Maschinen zum Reissen vertragen zwar einen gewissen Grad an Mischung unterschiedlicher Materialien, jedoch verringert sich die Qualität der Fasern entsprechend.

Bei der Wiedergewinnung von synthetischem Polyester, der weltweit am häufigsten verwendeten Kunstfaser, ist die Entwicklung dagegen bereits deutlich weiter. So lässt sich die Kunstfaser in einem chemischen Verfahren bereits heute ohne Qualitätsverlust recyceln. Allerdings ist das Verfahren auf reine Polyesterartikel, wie z.B. Sportfunktionsshirts, beschränkt. Und zumeist stammt recyceltes Polyester nicht aus Textilien, sondern aus PET-Flaschen.

Insgesamt spielt Textil-Recycling für die Bekleidungsbranche daher momentan praktisch keine große Rolle.

Forschung an weiteren Verfahren

Trotzdem oder grade deswegen beschäftigen sich ganz unterschiedliche Forschungseinrichtungen, Firmen und Initiativen mit der Suche nach innovativen Lösungen für ein ökonomisch und ökologisch sinnvolles Recycling von Textilien.

Am vielversprechendsten scheinen chemische bzw. biochemische Verfahren zu sein. Dabei werden Textilstoffe grob zerschnitten und durch Zusatz verschiedener Chemikalien in ihre molekularen Grundbestandteile zersetzt. Durch Trocknung entsteht ein Brei, der Baumwollblüten nicht unähnlich ist. Daraus können wiederum Garne gesponnen werden, die zu neuer Kleidung genäht werden können.

Allerdings bleibt auch bei diesem Verfahren das Problem der Sortenreinheit, denn auch in diesem Prozess werden zurzeit noch reine Baumwollfasern ohne Fremdstoffe wie z.B. Elastan oder Polyester benötigt. Genau dieser Herausforderung stellen sich andere Projekte, die an Verfahren zur Trennung einzelner Materialkomponenten forschen. Wäre auch diese Hürde überwunden, bliebe trotzdem das Informationsproblem: Denn die stoffliche Zusammensetzung der Textilien wäre weiterhin (sehr) unterschiedlich und nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Der Markt ist also in Bewegung, es wird geforscht und experimentiert. Allerdings funktionieren die meisten Verfahren bisher lediglich im Labormaßstab. Ein Einsatz in der industriellen Produktion zu vertretbaren Kosten und mit einer positiven Umweltbilanz ist frühestens mittelfristig denkbar.

Kleine Schritte zu mehr Nachhaltigkeit

Die große Lösung eines vollständig geschlossenen Textilkreislaufs, der – einmal in Schwung – kaum neuer Materialien bedarf, liegt demnach noch in der Ferne. Aktuell sind vor allem kleine Schritte umsetzbar, die zu mehr Nachhaltigkeit in der Textilherstellung führen.

Vor allem in der Gestaltung der Kleidung liegt ein wichtiger Baustein für einen nachhaltigeren Textilkonsum. Bereits in der Produktentwicklung müssen die Textilien so konzipiert werden, dass sich die Haltbarkeit verlängert und die Stücke im Zweifel einfach zu reparieren sind.

Behandlung von Produkten

Einen wichtigen Ansatz haben auch die Konsument*innen in der Hand. Denn die Ökobilanz eines Kleidungsstücks wird zu 60 bis 70 Prozent durch die Pflege und Behandlung durch die Konsument*innen beeinflusst – z.B. durch zu häufiges Waschen unter Einsatz von zu großen Mengen an Waschmitteln. Weniger wäre hier mehr – zumindest für die Umwelt.

Und das gilt letztlich auch für den Modekonsum insgesamt. Textilexperte Kai Nebel bringt es auf den Punkt: „Es nützt nichts, wenn wir recyceln, um danach noch mehr zu konsumieren. Das gesamte System muss verändert werden.“

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